Urplötzlich geht Novak Djokovic (37) auf die Seite von Alexander Zverev (27), umarmt ihn und gibt ihm die Hand. Der Serbe gibt im Halbfinale der Australian Open auf, der Hamburger steht zum ersten Mal in Melbourne im Finale. Nach dem 7:6 (7:5) für den Deutschen im ersten Satz sind die Schmerzen im Oberschenkel des Rekord-Grand-Slam-Champions, der seinen 25. Titel holen wollte, zu groß.
Die Zuschauer finden das schnelle Ende gar nicht schön, es gibt Buhrufe. Zverev zum Publikum: „Buht keinen Spieler aus, wenn er aufgibt. Ich weiß, dass jeder von euch für seine Karte bezahlt hat. Aber Novak hat dem Sport in den letzten 20 Jahren alles gegeben. Wenn er mit einer Oberschenkelverletzung nicht spielen kann, dann kann er nicht spielen.“
Große Sätze eines großen Sportlers! Das Duell der Olympiasieger von 2021 (Zverev) gegen den von 2024 (Djokovic) ist ein hochklassiges Match. Keiner kann dem anderen den Aufschlag abnehmen. Fabelhafte und lange Ballwechsel sind die Folge, sodass dieser Satz 1:21 Stunde dauert.
Zverev: „Es war ein großartiger erster Satz. Im Tie Break hat Novak ein bisschen mehr Probleme gehabt als im Satz. Da ist aber niemand auf der Tour, den ich mehr respektiere als Novak. Er hat mir viel geholfen über die Jahre.“
Die Verletzung hatte sich Djokovic im Viertelfinale gegen den Spanier Carlos Alcaraz (21) zugezogen. Da kam er nach einer Behandlungspause mit einem Verband aus der Kabine. Den trägt er auch gegen Zverev. Die Blessur stellt sich als Muskelfaserriss heraus.
Djokovic: „Ich habe seit dem Alcaraz-Spiel keinen Ball mehr geschlagen, bis etwa eine Stunde vor dem heutigen Spiel. Ich habe alles getan, was ich konnte, um meinen Muskelfaserriss in den Griff zu bekommen. Medikamente und die Physiotherapie haben bis zu einem gewissen Grad geholfen. Aber gegen Ende des ersten Satzes bekam ich einfach immer mehr Schmerzen. Es war einfach zu viel für mich.“
Daher hätte der zehnmalige Australian-Open-Sieger wohl auch nicht durchhalten können, hätte er den Tie Break gewonnen. „Ich hätte vielleicht versucht, noch ein paar Spiele zu gewinnen, einen halben Satz, vielleicht einen Satz. Ich weiß nicht. Es wurde halt immer schlimmer“, sagt Djokovic.
Das Problem: „Ich wusste, dass es, selbst wenn ich den ersten Satz gewinnen würde, ein harter Kampf für mich werden würde, körperlich fit genug zu bleiben, um in den Ballwechseln noch zwei, drei, vier Stunden mit ihm mithalten zu können.“
Und so steht Zverev im Finale am Sonntag (9.30 Uhr, Eurosport live) auf eine Art und Weise, die er nicht wollte. Gegner: Der Weltranglisten-Erste Jannik Sinner (23), über dem noch das Damoklesschwert des Dopings schwebt, oder der Amerikaner Ben Shelton (22).