Am heutigen Montag stellt Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) die Vertrauensfrage – so wie Gerhard Schröder vor 19 Jahren. Wie der Ex-Kanzler der SPD heute über seine Entscheidung denkt.
„Ich habe die Vertrauensfrage gestellt, nicht mit dem Ziel, sie zu gewinnen, sondern sie zu verlieren, damit der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann“, erklärt Schröder jetzt der „Süddeutschen Zeitung“. Nur so konnte der damalige Bundespräsident Horst Köhler (81) Neuwahlen veranlassen.
►[–>Normalerweise dient die Vertrauensfrage dazu, die Mehrheit im Bundestag zu sichern oder umstrittene Entscheidungen durchzubringen. Doch Gerhard Schröder wollte im Juli 2005 etwas ganz anderes: mit Neuwahlen eine Blockade im Bundestag beenden. Denn: Es gab Widerstände gegen seine weiteren Reformpläne nach der Verabschiedung der umstrittenen Agenda 2010.
Gerhard Schröder musste wegen Vertrauenfrage bangen
Das Problem: Schröders rot-grüne Koalition hatte (anders als bei Scholz‘ Reste-Ampel aus rot-grün) auf dem Papier noch eine Mehrheit und war handlungsfähig. Spannung herrschte bis zur letzten Minute, denn Schröder bangte, ob Köhler überhaupt mitspielen würde – er tat es.
„Ich habe wirklich nächtelang nicht geschlafen, so schwierig war das“, erinnert sich Schröder. „Weil wenn der Bundespräsident gesagt hätte, ich löse den Bundestag nicht auf, was hätten wir denn dann gemacht? Das wäre die doppelte Blamage gewesen.“
Der Bundestag stimmte am 1. Juli 2005 über die Vertrauensfrage ab, Schröder verlor sie wie geplant. Sein Kalkül ging letzten Endes trotzdem nicht auf: Bei der Bundestagswahl im September 2005 unterlag die SPD knapp der Union.
Bis heute ist Schröder, der wegen seiner Freundschaft zum russischen Kriegstreiber Wladimir Putin (72) massiv in der Kritik steht, überzeugt, richtig gehandelt zu haben: „Entweder hopp oder top, sonst wären ständig Situationen gekommen, in denen ich als Regierungschef nur schlecht hätte aussehen können“, sagte er. „Das war mein Ding nicht.“
Olaf Scholz will Neuwahlen
Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (68), selbst Volljurist, scheint anders als sein Vorgänger Horst Köhler damals keine Zweifel zu haben. Für ihn ist klar: Vertrauensfrage, Neuwahlen – es gibt keine Alternative. Auch Olaf Scholz will Neuwahlen und damit die Vertrauensfrage verlieren.